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Dämmen und Brandschutz

Das Thema Wärmedämmung bei Immobilien ist höchst umstritten. So sagen Kritiker schon lange, das Dämmen sei unnötig teuer und würde nur einen geringen Effekt bringen. Nach dem Hochhausbrand in der britischen Hauptstadt London Mitte Juni 2017 gilt die Dämmung mittlerweile möglicherweise auch noch als gefährlich, was insbesondere die Dämmwirtschaft nervös macht.

Im Londoner Stadtteil Kensington sind nach der Brandkatastrophe mindestens 79 Menschen ums Leben getötet worden. Daraufhin entbrannte eine Debatte darüber, wie sicher die Fassadendämmung tatsächlich ist. Zwar gelten in Deutschland weitaus strengere Brandschutz-Vorschriften, jedoch hat die Dämmwirtschaft noch keine Antwort auf diese Frage gefunden.

Harte Kritik vom Hauseigentümerverband Haus und Grund

Besonders harte Kritik übte kurz nach der Katastrophe der Präsident des Hauseigentümerverbandes Haus und Grund, Kai Warnecke. Er forderte, die Verwendung von Polystyrol zur Dämmung sofort auszusetzen, weil die Eigentümer und Mieter seiner Meinung nach nicht die Versuchskaninchen der Baustoffindustrie sein dürften. Im Zweifelsfall seien bereits montierte Dämmungen aus dem Wertstoff Polysterol zu entfernen und entsorgen sowie durch Stoffe zu ersetzen, die nicht brennen können – auf Kosten der Industrie. „Es reicht, dass die Bewohner von Häusern und Wohnungen über Jahrzehnte erhöhten Gefahren ausgesetzt werden. Die Kosten der Gefahrenindustrie muss nun der Verursacher tragen, also die Dämmstoffindustrie.“

Doch mehr als die Reaktion des Verbandspräsidenten befürchtet die Industrie die Folgen der ersten Reaktionen aus der Politik. So hatte Joachim Herrmann, Bayerns Innenminister, bereits angekündigt, dass die in der Energieeinsparverordnung fixierten Vorgaben zusätzlich auf eine mögliche Brandgefahr hin überprüft werden sollten. Obwohl Herrmann ebenso wie zahlreiche Experten versicherte, dass ein vergleichbarer Brand an Hochhäusern in Deutschland so gut wie ausgeschlossen sei, stärkt die Ankündigung nicht gerade das Vertrauen in die bestehenden Regeln.

Die Debatte kommt für die Branche ungelegen

Befürworter und Kritiker der bestehenden Dämmvorschriften sind sich allerdings größtenteils darüber einig, dass sich eine Katastrophe wie in London durch die deutschen Bauvorschriften verhindern lasse – sofern diese auch eingehalten werden. Beispielsweise dürfen an Gebäuden mit einer Höhe von mehr als 22 Metern keine Fassaden aus brennbaren Materialien verbaut werden, weil die Drehleitern der Feuerwehren nur bis in diese Höhe reichen. Dass die deutschen Regelungen möglicherweise gelockert werden könnten, kritisierten sowohl verschiedene Ingenieurverbände als auch der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes in einer gemeinsamen Erklärung.

Der Grund: Die in Deutschland geltenden Anforderungen an Dämmstoffe werden von der EU-Kommission als Verstoß gegen die EU Bauprodukteverordnung. Deshalb fordert die EU-Kommission, dass die in Deutschland geltenden Regeln angepasst werden müssten. Dagegen sagen die Verbände: „Ein gemeinsamer Markt für Bauprodukte – so sehr er auch grundsätzlich begrüßt wird – darf nicht zu Lasten der Sicherheit von Leben und Gesundheit der Bürger gehen.“

Deshalb trifft die jüngst aufgekommene Debatte den Verband in einer nicht gerade einfachen Zeit. Zwar ist die wirtschaftliche Lage in der Bauwirtschaft hervorragend, jedoch wurde auf dem Markt für Wärmeverbundsysteme 2016 bereits fünfmal in Folge ein Minus verzeichnet. Der Grund liegt für den Hersteller derartiger Systeme, die Schwarzwälder Sto, in der anhaltenden Verunsicherung, die vor allem bei privaten Bauherren herrscht. Ausgelöst worden sei diese Verunsicherung „von der widersprüchlichen und teilweise sehr zugespitzten Medienberichterstattung und der daraus resultierenden kontroversen Diskussion über den Einsatz von Wärme-Verbundsystemen, so Rainer Hüttenberger, Chef der Schwarzwälder Sto.

Ist Steinwolle ein nachhaltigeres Dämmmaterial?

Beim Bau von Immobilien mit einer Höhe von sieben bis 22 Metern sind laut Vorschrift Brandriegel verpflichtend, die aus einem nicht entflammbaren Material bestehen. Hier kommt überwiegend Steinwolle zum Einsatz. Lediglich in Ein- und Zweifamilienhäusern können die Bauherren das Dämmmaterial frei auswählen. Aber auch hier sollte nach Meinung von Volker Christmann, Geschäftsführungs-Vorsitzender der Rockwool Beteiligungs GmbH, Steinwolle zum Einsatz kommen. Der Grund: Bei Steinwolle handelt es sich um ein nachhaltig hergestelltes Produkt, welches das Gebäude sowohl gegen die Temperatur als auch gegen Schall isoliert. Der Nachteil von Steinwolle besteht jedoch darin, dass sie erheblich teurer ist als Polystyrol. Bei anderen ökologischen Dämmstoffen, etwa Schilf oder Gras, sei hingegen eine chemische Behandlung notwendig, damit sie nicht entflammen können.

Juli 2017


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